Interview mit Dr. Michael Kerkloh, CEO Flughafen München GmbH und Jörg Ebbighausen, Senior Vice President Corporate Development, Flughafen München GmbH, vom 26.04.2018

 

A21DIGITAL: Wo sehen Sie Herausforderungen für Ihr Unternehmen hinsichtlich der Digitalisierung?

Dr. Michael Kerkloh: Es muss Wissen zur Digitalisierung erst einmal entstehen. Ich glaube, dass die entsprechende Lernkurve von Unternehmen in nächster Zeit deutlich steiler werden wird. Und wir haben zum ersten Mal einen Bruch zwischen den einzelnen Generationen im Unternehmen. Diejenigen, die jung sind, haben meist höheres Wissen zur Digitalisierung. Erfahrungswissen des Managements, das in der Regel älter ist, zählt nicht mehr so richtig. Dies zu erkennen und den Wandel zuzulassen, macht ein anderes Rollenverständnis im Unternehmen notwendig.

Richtig zu priorisieren und Antworten darauf zu finden, worauf wir uns tatsächlich konzentieren müssen, sind ebenso Herausforderungen, wie Fragen, wie wir künftig unsere digitale Verbindungen zu unseren Kunden gestalten wollen oder wieviele Push-Mitteilungen ein Kunde mit welchen Inhalten zuhöchst bekommen soll?

Das, was wir zur Digitalisierung wissen, ist nicht wenig, aber nur ein Teil dessen, was wir wissen sollten. Doch mit dem, was wir wissen, sind wir gegenüber relevanten Playern vorne.

Jörg Ebbighausen: Wir haben das Thema Digitalisierung vor etwa vier Jahren hinsichtlich Chancen und Geschäftsrisiken näher beleuchtet. Das Themenfeld ist extrem breit und für uns als technologisches Unternehmen auch nicht neu. Wichtig anzuschauen war es uns auch, wie sich Kundenanforderungen, insbesondere über digitale Kanäle, verändert haben. Hier sind neue Player – etwa beim Parkgeschäft – hinzugekommen. Wenn es uns aber gelingt, direkt oder über Partnerkanäle einen Zugang zum Endkunden zu schaffen und die Synergien zwischen den Geschäftsbereichen aufzulösen, dann können wir am Ende nicht nur ein besseres Kundenverständis gewinnen, sondern auch maßgeschneiderte Angebote erstellen. Das ist für ein traditionelles Infrastrukturunternehmen mit B2B-Fokus schon ein kultureller Wandel.

A21DIGITAL: Wie geht es Ihnen bei der Investitionsplanung zu Digitalprojekten?

Dr. Michael Kerkloh: Wir müssen die technischen Voraussetzungen für den digitalen Wandel schaffen. Nur ist nicht immer ganz klar, in welche Richtung man tatsächlich investieren muss. Man muss ein gewisses Trial and Error zulassen und Themen sinnvoll miteinander verknüpfen, damit daraus am Ende eine nachhaltige Digitalstrategie wird.

Jörg Ebbighausen: Eine große Herausforderung sehe ich im Management der Unsicherheit. Wenn wir beispielsweise Infrastrukturprojekte haben, dann wissen wir sehr genau, was das kostet, wie die Abschreibungsdauern sind, wie wir das refinanzieren. Beim Themenfeld Digitalisierung wissen wir das nicht so genau. Hier braucht es ein anderes Mindset im Umgang mit Investitionen. Auch die Bereitschaft, aus Risiken zu lernen und eine entsprechende Lernkurve aktiv zu gestalten. Der entscheidende Punkt ist hier: habe ich ein Management, das dafür auch die Rahmenbedingungen schafft und Gesellschafter, die das ermöglichen

A21DIGITAL: Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie sich die Wettbewerbssituation für Ihr Unternehmen im Rahmen des digitalen Wandels verändert hat?

Dr. Michael Kerkloh: In der analogen Welt konnten wir Prozesse weitgehend selbst steuern. Im Endkundengeschäft sind heute eine Menge neuer Partner mit dabei. Von den großen Digitalkonzernen bis hin zu regionalen Playern. Beispielsweise auch Bauern, die im Umfeld des Flughafens Flächen zum Parken über Plattformen anbieten und somit als neue Wettbewerber im Endkundengeschäft mitmischen.

A21DIGITAL: Kann sich aus dem enormen Datenbestand Ihres Unternehmens ein neues Geschäftsmodell entwickeln?

Dr. Michael Kerkloh: Das Thema Daten verändert unser Geschäftsmodell. Fragen sind etwa: Nutzen wir das, was wir an Daten haben unter den Rahmenbedingungen von Datenschutzvorschriften gut genug? Können wir sinnvolle Verknüpfungsprozesse beispielsweise mit Fluggesellschaften herstellen, die zum Nutzen der Passagiere sind? Es fängt ja bei einer simplen Information an: ist ein Flug verspätet, wenn ja, welche Optionen habe ich? Vor dem Hintergrund der Datenthematik stellen sich grundsätzliche Fragen auch zur Zusammenarbeit mit Dritten, zum Beispiel mit den großen Digitalkonzernen.

Jörg Ebbighausen: Wir reden mit großen Mobilitätskonzernen zum Thema Navigation mit dem Ziel, nicht mehr den Flughafen am Navigationsgerät einzugeben, was ohnehin eine gewisse Herausforderung ist, da keine eindeutige Kennung hinterlegt ist, sondern gleich die Flugnummer. Mit einem intelligenten Datenaustausch im Hintergrund weiß das Navigationssystem dann ganz genau, in welchem Terminal abgefertigt wird und welches das nächstgelegene Parkhaus ist. Und bei Zeitproblemen können Alternativen angezeigt werden. Diese mögliche Lösung zeigt nur ein Beispiel für eine sinnvolle Datenverknüpfung mit Mehrwert für den Kunden. Im Idealfall nicht nur für Deutschland, sondern als internationale Lösung.

Beim Datenaustausch im Rahmen von Datenschutzvorschriften geht es auch um die Frage, welche Daten einen USP für potenzielle Kooperationspartner haben. Dahinter steht auch ein gewisser Unternehmenswert.

A21DIGITAL: Bietet der Flughafen München einen Nährboden für junge Leute, damit sie sich aktiv und innovativ in den digitalen Wandel einbringen können?

Dr. Michael Kerkloh: Wir haben seit 2017 einen Digital Day, zu dem wir vorwiegend junge MitarbeiterInnen mit Interesse und Potenzial, aber auch jene, die bereits an Aufgaben zur Digitalisierung unseres Unternehmens arbeiten, bereichsübergreifend zusammenbringen. Mit Zukunftsaufgaben als Programmklammer.

Jörg Ebbighausen: Wir haben eine kleine digitale Avantgarde. Das sind eher die jungen MitarbeiterInnen. Ich sehe bei diesem Thema auch die Führungskräfte enorm gefordert, die wir natürlich auch befähigen müssen. Wir müssen darauf achten, dass wir keine Entkoppelung von Führungskräften von jungen MitarbeiterInnen haben, denn das würde zu großen Problemen führen.

A21DIGITAL: Welche Ziele verfolgen Sie mit dem „LabCampus“?

Dr. Michael Kerkloh: Wir müssen an digitalen Zukunftslösungen für einen nachhaltigen Flughafen des 21. Jahrhunderts arbeiten, die weit über das Thema, einen Flugbetrieb zu organisieren, hinausgehen. Das werden wir auch in einem „LabCampus“ zusammen mit „Big Brands“ und innovativen Unternehmen, Start- ups sowie Partnern aus Wissenschaft und Forschung tun. Als Bestandteil des Geschäftsmodells des Flughafens mit einerseits dem Ziel, noch effizienter zu werden und andererseits aus einer kommerziellen Überlegung heraus: wir wollen, dass Lösungen im Idealfall auch einen Beitrag zum Unternehmensergebnis liefern.

A21DIGITAL: Auf welche Schwerpunkte wollen Sie sich dabei fokussieren?

Dr. Michael Kerkloh: Ziel des „LabCampus“ ist es, Partner zu Zukunftslösungen, die in der Regel digital sein werden, primär in den Bereichen Mobilität, Security und Green Airport inklusive Luft- und Raumfahrt zusammenzubringen. Denn über Digitalisierung schaffen wir eine höhere Effizienz. Es sollte für Start-ups attraktiv sein, am Campus mit mehr als 500.000 Quadratmetern zu testen, zu sehen, ob ihre Ideen funktionieren und unbürokratisch mit anderen Partnern zu arbeiten. Wir haben eine Vision und arbeiten daran, weitere geeignete Partner, Institutionen und Kreative zu gewinnen. Und wir setzen auf die Eigendynamik, die daraus entstehen wird.

A21DIGITAL: Was könnten Lösungen aus dem Campus für den Flughafen sein?

Dr. Michael Kerkloh: Wir erwarten uns konkrete Ergebnisse aus dem „LabCampus“ für unser Unternehmen, da wir große Themen, die wir haben, nur mit intelligentester Zukunftstechnologie lösen können. Wenn wir beispielsweise eine weitere Steigerung der Pünktlichkeit um 2 Minuten schaffen würden – eine große Heraus- forderung – dann hätte das enorm positive Effekte. Oder konkrete Inputs für die Verbesserung unserer Energiebilanz, da wir bis 2030 C02-neutral agieren wollen. Oder beispielsweise autonome Mobilitätslösungen für den Flughafen. Nur einige Beispiele für große Themen für einen nachhaltigen Flughafen des 21. Jahrhunderts, den wir nur mit modernster Zukunftsechnologie sicherstellen können.

A21DIGITAL: Welche Rahmenbedingungen und Maßnahmen der Politik zur Unterstützung des digitalen Wandels der Wirtschaft erwarten Sie sich?

Dr. Michael Kerkloh: Die Politik weiß im Zweifel noch weniger als wir. Es entstehen beispielsweise Regulierungsnotwendigkeiten, gerade im Umgang mit Daten. Hier sollte man künfig noch stärker hinsehen. Dazu muss aber auch Kompetenz in den jeweiligen politischen Räumen entstehen. Das braucht seine Zeit.

A21DIGITAL: Wie bereitet sich eine so sensible Infrastruktur, wie ein Flughafen, auf Cyberattacken vor?

Dr. Michael Kerkloh: Man muss ein Bewusstsein dafür schaffen, wo Gefährdungs- potenziale im Unternehmen liegen. Diesem Thema haben wir uns angenommen und trainieren jetzt auch Flughafen-Manager anderer Airports zu den Themenstellungen Cyberabwehr und Gefahrenerkennung. Oder einfacher ausgedrückt: Bemerkt ihr überhaupt, dass ihr einen Cyberangriff hattet? Das ist mittlerweile ein internationales Produkt geworden, das wir, da wir als Flughafen eine hohe IT-Kompetenz haben, selbst entwickelt haben.

A21DIGITAL: Der digitale Wandel trifft ja nicht nur die Wirtschaft, sondern alle Bereiche der Gesellschaft. Wo sehen Sie Herausforderungen?

Jörg Ebbighausen: Auch im Privaten stelle ich fest, dass wir immer weiter in ein „Digital Divide“ hineinlaufen. Was, wie wir schon gehört haben, auch in Unternehmen zu einem neuen Rollenverständnis zwischen den Generationen führen muss. Digitalisierung wird zum „The New Normal“. Vieles in der Digitalisierung ist ja schon gegeben. Sie können viele Buchungen heute weitehend nur noch online erledigen, etwa den Check-in bei Airlines. Was aber machen Leute, die keinen Zugang zu diesen Technologien haben oder damit überfordert sind? Das sind gesellschaftliche Fragestellungen mit der sich die Politik auseinandersetzen muss.

A21DIGITAL: Erfolgreiche Unternehmen können auf den digitalen Wandel ungleich schneller reagieren als beispielsweise Bildungseinrichtungen. Welche Fertigkeiten stehen künftig im Fokus?

Dr. Michael Kerkloh: Intelligente Technik wird permanent weiterentwickelt. Beispielsweise fährt bereits heute ein führerloser Zug zwischen dem T2 und dem Satellitenterminal auf Basis von Daten und abgesichert über Tausende von Senoren. Aber welche Fertigkeiten und Wissen brauchen wir künftig in Unternehmen oder in einer bestimmten Region? Hierzu muss es künftig einen viel stärkeren Austausch zwischen Schulen, der Politik und Unternehmen geben, damit in der Schule das Richtige gelehrt wird. Ganz entscheidend ist dabei auch die Rolle der Lehrer, die sich in diesen Prozess aktiv einbringen müssen.

A21DIGITAL: Herzlichen Dank für das Gespräch.